Künstliche Kreativität: Eine virtuelle Influencerin an der MLU

20.03.2024 von Wenke Dargel in Campus, Studium und Lehre
Luisa ist Anfang 20 und studiert im Master Betriebswirtschaftslehre an der MLU – allerdings ist Luisa nicht echt, sondern eine mit künstlicher Intelligenz (KI) erzeugte Influencerin, die auf Instagram als MLU_isa Einblicke in „ihr Leben“ an der Uni gibt. Entstanden ist sie in einem wirtschaftswissenschaftlichen Seminar, das in Kooperation mit der Studienberatung und dem Hochschulmarketing stattgefunden hat. Studentin Johanna Albrecht erklärt das Projekt im Interview.
Ist sie echt oder nicht? Die virtuelle Influencerin MLU_isa auf dem Universitätsplatz
Ist sie echt oder nicht? Die virtuelle Influencerin MLU_isa auf dem Universitätsplatz (Foto: privat)

In welchem Kontext genau ist MLU_isa entstanden?
Johanna Albrecht: Wir, Larissa Ramann, Marlene Lange und ich, sind Studentinnen im Master „Human Resources Management“ und haben das Seminar „Künstliche Intelligenz im Personalmarketing“ belegt. In unserer Aufgabe sollten wir uns auf das Hochschulmarketing der MLU konzentrieren – der Leiter der Stabsstelle Hochschulmarketing Torsten Evers hat uns dabei unterstützt. Wir haben überlegt, was wir für die MLU konkret anbieten können, was es noch nicht gibt, was wir uns wünschen würden. Und wie man dafür KI nutzen kann. Schließlich hatten wir die Idee: Wer kann junge Menschen besser durch den Alltag begleiten als ein Influencer? Wir wollten der Universität auf Social Media eine persönliche Note geben, die Ansprache sollte möglichst emotional gestaltet sein. In unserer Recherche sind wir dann auf virtuelle Influencer gestoßen. Soweit uns bekannt ist, gibt es so etwas an keiner deutschen Hochschule.

Kannst du das Phänomen „virtuelle Influencer“ kurz erklären?
Influencer sind Menschen, die andere in sozialen Netzwerken, zum Beispiel auf Instagram oder TikTok, an ihrem Leben teilhaben lassen. Sie geben Tipps und manche verdienen damit Geld, weil sie ihre Reichweite nutzen, um Produkte zu bewerben. Hinter virtuellen Influencern stecken dann keine realen Menschen, sondern künstliche Intelligenz. Sie können ganz unterschiedlich aussehen: manche eher wie Charakter aus Anime-Filmen, andere lassen sich nur schwer von echten Menschen unterscheiden. Wir haben uns an lilmiquela orientiert, einem durch KI betriebenen Instagram-Account, der 2,6 Millionen Follower hat, sprechen kann und mit seiner Community interagiert.

Und dann habt ihr MLU_isa geschaffen …
Genau. Der Name ist eine Verbindung aus MLU und Luisa. MLU_isa ist unser Prototyp einer virtuellen Influencerin für die Universität Halle auf Instagram. Den Inhalt der Beiträge haben wir mit ChatGPT erstellt und für die Bilder einen Gesichtsfilter entwickelt. Am Ende haben wir MLU_isa mit dem Tool „Speechify“ eine Stimme gegeben, sodass sie sich auf der Abschlusspräsentation des Seminars sogar selbst vorstellen konnte. Auf Instagram haben wir Luisas Stimme aber nicht verwendet.

Johanna Albrecht
Johanna Albrecht (Foto: privat)

Wie seid ihr an die Postings herangegangen?
Wir haben uns auf Studierende in einem wirtschaftswissenschaftlichen Studiengang konzentriert. Follower waren unsere Kommilitonen, die wir vorher gefragt haben, was sie auf Social Media von der Uni erfahren möchten. Sie wollten zum Beispiel über das Semesterticket, Veranstaltungen, Gebühren, Fristen informiert werden - oder über coole Plätze, an denen man lernen kann. Dann haben wir uns überlegt, wann man was am besten postet und was zu MLU_isa passt. So sind Storys und Beiträge entstanden, die möglichst emotional sein und durch Fragen eine Interaktion mit der Community aufbauen sollten. Gepostet haben wir noch selbst, aber die Texte und auch die Antworten wurden mit ChatGPT erstellt und auch laufend optimiert. Zu Beginn hat die KI zum Beispiel zu viele Emojis verwendet. Das ist nicht authentisch gewesen. Deshalb haben wir ChatGPT angewiesen, das zu korrigieren.

Und wie lief es mit Bildern für MLU_isa?
Wir haben ChatGPT gefragt, wie eine klassische Wiwi-Studentin aussieht. Aufgrund dieser Angaben haben wir eine Kommilitonin als Vorlage ausgewählt, die dem von ChatGPT ausgespuckten Klischee witzigerweise ganz gut entsprochen hat, um einen Gesichtsfilter zu erstellen. Wir wollten, dass man bei MLU_isa zweimal hinschauen muss und überlegt: Ist das jetzt ein echter Mensch oder nicht? Für die Postings selbst haben wir unsere Kommilitonin fotografiert und den Filter über ihr Gesicht gelegt. Das war sehr einfach.

MLU_isa gibt persönliche Einblicke in ein Studium an der Universität Halle, obwohl sie kein Mensch ist. Ist das moralisch akzeptabel? Inwiefern habt ihr diesen Konflikt im Rahmen des Projekts reflektiert?
Das hat uns vom Beginn bis zum Ende des Projekts begleitet. Bereits bei unserer Recherche sind wir auf eine virtuelle Influencerin gestoßen, die Werbung für Süßigkeiten gemacht hat. Da haben wir uns gefragt: „Wie kann man für den Geschmack einer Süßigkeit werben, wenn man die nicht essen kann?“ Das ist nicht authentisch. Dies haben wir auch bei unseren Beiträgen berücksichtigt. MLU_isa hat beispielsweise einmal mit ihrer Freundin die Mensa besucht und empfohlen. Es ist wichtig, Erstsemestern Informationen wie hier die Existenz der Mensa zu vermitteln, aber eine virtuelle Influencerin sollte nicht sagen: „Ich hatte heute Spaghetti Bolognese und die ist hier besonders lecker.“ Wir wollten transparent sein und kommunizieren, dass es sich bei MLU_isa um eine virtuelle Influencerin handelt. Oft ignorieren virtuelle Influencer es, wenn sie gefragt werden, ob sie echt sind. Das ist falsch.

Welchen Vorteil hat MLU_isa gegenüber menschlichen Influencern?
Wenn man sich mit Influencern beschäftigt, klagen diese oft, wie viel Zeit sie für ihre Arbeit benötigen. KI kann hier entlasten - natürlich abhängig vom aktuellen Stand, aber KI wird ja stetig weiterentwickelt.  Ich finde, man muss sich natürlich die Risiken bewusst machen. Aber es gibt eben auch super viele Chancen, die KI bietet: Interaktion, transmediales Storytelling, die Einzigartigkeit – und natürlich Unterhaltung.

Welchen Wert hatte das Projekt für dein Studium und wie soll es mit MLU_isa jetzt weitergehen?
Mir hat die Praxisnähe des Moduls gefallen. Es war toll gesagt zu bekommen: „Macht mal, probiert euch kreativ aus. Es gibt kein Richtig oder Falsch.“ Und dann einfach loszulegen. Ansonsten: Der Account auf Instagram ist auf „privat“ gestellt und wir selbst werden nichts weiter posten. Wir hatten allerdings auch nicht damit gerechnet, bei unseren Betreuern und im Hochschulmarketing auf so viel Interesse zu stoßen. Und wir würden uns freuen, wenn unsere Inspiration genutzt wird. Soweit ich weiß, laufen im Hochschulmarketing erste Gespräche zu einer konkreten Umsetzung von Projekten aus dem Seminar.

Habt ihr vor, euch weiter mit virtuellen Influencern und künstlicher Intelligenz im Marketing auseinanderzusetzen?
Was heißt hier „habt ihr weiter vor“? Zwangsläufig ja, weil wir immer Berührungspunkte haben. Das merke ich bei meiner jetzigen Arbeitsstelle, die ich neben dem Studium habe, aber auch generell im Studium. KI ist für uns alle ein stetiger Begleiter und nicht mehr wegzudenken. Und man lernt mit jedem Mal, besser mit ihr umzugehen.

 

Die Autorin Wenke Dargel ist Volontärin in der Stabsstelle Zentrale Kommunikation.

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